Speyerer Weinrunde besucht die Medicus-Ausstellung im Historischen Museum am 13. Febr. 2020

(Hinweis: Klicken Sie auf die Fotos um sie zu vergrößern)

 

k STP130220Weinbruder01Könnte symbolisch für Röntgen, CT und MRT stehen: Der gläserne Mensch am Ende der Ausstellung (Foto Venus). Faszinierende Führung durch die Medicus-Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz.

Weinbruder Alfred Boltz hat sie angeregt, WB Nikolaus Meyer auf den Weg gebracht und WB Günter Wallmen gemeinsam mit Museumsdirektor Dr. Alexander Schubert durchgeführt. Die Rede ist von einer außergewöhnlichen Führung durch die Sonderausstellung „Medicus – Die Macht des Wissens“ im Historischen Museum der Pfalz, die in dieser Form erstmals stattfand, daher eine Art Exklusivcharakter für sich in Anspruch nehmen kann und das Rahmenprogramm außerhalb der offiziellen Veranstaltungen um eine interessante Variante bereicherte.

Angeregt vom literarischen Bestseller „Der Medicus“ von Noah Gordon ist die einzigartige kulturhistorische Schau zur Geschichte der Medizin noch bis 21. Juni 2020 im Speyerer Kulturtempel zu sehen. Niemals zuvor wurden medizingeschichtliche und kunstgeschichtliche Objekte aus rund 5000 Jahren in einem Ausstellungkontext wie in Speyer zusammengeführt. Um die Entwicklung des medizinischen Fortschritts in einer derart fesselnden Weise vermitteln zu können, haben 50 Leihgeber aus Europa wie der Louvre in Paris und die Uffizien in Florenz mehr als 500 Exponate zur Verfügung gestellt. Zusätzlich bereichert wird die Präsentation durch das Originalmanuskript des Bestsellers, das der in Barcelona lebende Sohn des Autors am Vorabend der Eröffnung persönlich nach Speyer brachte.

k 20200213 164543Museumsdirektor Dr. Schubert erläutert den Weinbrüdern und ihren Gästen das Ausstellungskonzept (Foto Meyer).k 20200213 182040Museumsdirektor Dr. Schubert und WB Wallmen erklären den Baderwagen (Foto Meyer).

Ausgehend von antiken Kulturen über das Mittelalter bis hin zur Frühen Neuzeit vermitteln die Exponate interessante Einblicke in den Wandel der Behandlungsmethoden, womit wir wieder bei der Exklusivführung für die Weinbrüder sind. Dank der guten Kontakte von WB Nikolaus Meyer zum Museum hatte sich Direktor Schubert bereit erklärt, die Führung für die vierzig Teilnehmer der Speyerer Weinrunde in der Ordensgemeinschaft der Weinbruderschaft der Pfalz persönlich zu übernehmen. Während Direktor Schubert im Kontext kulturgeschichtlicher Veränderungen zurückblickend über die Arten und den Wandel von Behandlungsmethoden informierte, erläuterte Günter Wallmen, der als Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie sowie als Ärztlicher Leiter der Zentralen Notaufnahme im Speyerer St. Vincentius-Krankenhauses über eine lange Erfahrung als Chirurg verfügt, an ausgewählten Stationen die Unterschiede zu damals und heute. Dabei wurde schnell klar, warum es aus medizinischer Sicht ein Segen ist, nicht im Mittelalter mit seinen unzureichenden Möglichkeiten und oftmals fragwürdigen Behandlungsmethoden gelebt zu haben.

Während das Studium historischer Unterlagen aus einer gewissen Distanz zum einstigen Geschehen erfolgen kann und selbst Verfilmungen wie Noah Gordons Beststeller „Der Medicus“ die Realität früherer Praktiken nur unzureichend nachbilden, lief den Besuchern im Angesicht einiger Exponate mancher Schauer über den Rücken. Die Kontraste hätten auch kaum größer sein können. Wo heute sterile Operationssäle normaler Standard sind, wurden im Mittelalter Behandlungen in Wirtshäusern und anderen primitiven Einrichtungen bis hin zu einfachsten Unterkünften oder selbst im Wagen des Baders durchgeführt. Dabei reichte das Spektrum von viel Hokuspokus bis zu wirksamen Praktiken. Behandlungen im Wagen des Baders hatten den Vorteil, dass dieser sich bei misslungenen Aktionen unverzüglich vom Ort des Geschehens absetzen konnte. Dem normalen Volk standen Ärzte in jener Zeit nicht zur Verfügung.

Obwohl bereits die Ägypter und Römer sowie andere antike Völker über erstaunliches Wissen und feinste Operationsbestecke beispielsweise für die Behandlung von Augen-, Kopf-, Hals-, Nasen- und Ohrenerkrankungen verfügten, die nach Wallmens Einschätzung als Vorläufer moderner chirurgischer Instrumente eine erstaunliche Qualität aufwiesen, nahmen Erkrankungen oder Verletzungen oftmals einen tödlichen Verlauf. Menschen starben an Wundbrand oder anderen Infektionen am und im Körper. Berüchtigt war beispielsweise die Seitenkrankheit, eine Entzündung des Blinddarms, die heute bei rechtzeitigem Erkennen der Symptome problemlos operativ behandelt wird. Da half es meist auch wenig, einen von siebzehn ebenfalls in der Ausstellung zu sehenden Heiligen oder Nothelfer anzuflehen, von denen viele aufgrund ihres eigenen Schicksals als Märtyrer verehrt wurden. Der Bekannteste dürfte Johannes der Täufer gewesen sein. Er wurde enthauptet und von den nachfolgenden Generationen bei Hals- und Kopfschmerzen um Hilfe angefleht.

Die über Jahrtausende zur Anwendung kommenden Praktiken überstiegen teilweise das Vorstellungsvermögen der Teilnehmer am Rundgang. Das reichte von Behandlungen ohne Narkose und Betäubungen mit Alkohol oder Mohnextrakt bis hin zu Operationspraktiken mit „Schädelknochenbohrern“ im Kopfbereich. Geradezu schaurig die Methoden beim Amputieren von Gliedmaßen, dem Entfernen kariöser Zähne durch den „Zahnbrecher“ oder das Ausbrennen von Wunden mit dem Brenneisen. Gleiches galt für ein monströses Klistierset, eiserne Spreizgeräte und das Starstichbesteck aus dem 13. Jahrhundert. Ein Instrument erfüllte gar eine Doppelfunktion, diente es doch zugleich als Dolch zur Erteilung des „Gnadenstoßes“ bei tödlich Verwundeten.

Nach ihrem Tod ruhten diese meistens in „Frieden“, denn das sezieren von Leichen war lange verpönt. So blieben durch fehlende Kenntnisse über Organe und Blutgefäße viele Heilungsmöglichkeiten ungenutzt. Auch deshalb konnten Schubert und Wallmen vor dem gläsernen Ganzkörper-Organmodell am Ende der Führung unisono feststellen, welch ein Segen es sei, dass der Mensch heute dank Röntgen, CT und MRT für die Ärzte ein offenes Buch sei. Ergänzend fügte Wallmen im Angesicht des „Gläsernen Menschen“ hinzu, dass die fortschreitende Gentechnik und Gendiagnostik auch die Gefahr von Manipulationen am Menschen in sich berge. Mit einem Weinpräsent dankte Rundensprecher Markus Münch dem Direktor des Historischen Museums der Pfalz und Weinbruder Günter Wallmen für die außergewöhnlich informative Führung.

k 2020021462988070854500462621WB Wallmen verliest den Eid des Hippokrates (Foto Friederike Wallmen)

Info: Öffnungszeiten des Museums sind dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr. An Feiertagen und in den rheinland-pfälzischen, baden-württembergischen sowie hessischen Faschings-, Oster- und Pfingstferien ist das Haus auch montags geöffnet.