Weinrunde am 30.8.2021

Rotes Buch Neustadt

Einen interessanten Einblick in das mittelalterliche Leben in Neustadt erhielten am vergangenen Montag etwa 50 Weinbrüder im Ordenshaus.

Dr. Johannes Weingart referierte aus dem „Roten Buch der Stadt Neustadt“, das er in Zusammenarbeit mit Karl Josef Zimmermann nach jahrelanger Quellenarbeit in neuer Fassung bearbeitet hat. Das stattliche Werk erschien in der Reihe „Pfälzische Geschichtsquellen (Band 15)“ der Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung.

Das „Rote Buch“ ist ein Kopialbuch und gilt als wichtigste Archivalie des Stadtarchivs Neustadt. Es enthält Abschriften zahlreicher wichtiger Urkunden der Stadt ab dem 14. Jahrhundert über das gesamte Mittelalter hinweg. Im Grunde genommen handelt es sich um ein echtes Stadtrechtsbuch, das die erste und ausführliche Ordnung der Stadt auflistet. Zusätzlich enthält das „Rote Buch“, dessen Name von seinem roten Einband stammt, eine Fülle von Regelungen, die den Umgang der Menschen miteinander in der Stadt vorgibt. Anhand von konkreten Beispielen erläuterte Dr. Weingart einige Auszüge aus der Bäcker- und Metzgerordnung. Erstaunt waren sicherlich viele der Zuhörer darüber, dass in diesen Ordnungen schon damals klare Richtlinien und Vorgaben zum Schutz des Verbrauchers enthalten waren, z.B. die „Lebensmittelsicherung“ oder der „Schutz vor Übervorteilung“. Zur Kontrolle waren zwei „Rüger“ eingesetzt. Einzelne Strafmaßnahmen bei Verstößen gegen diese Ordnungen wurden ebenfalls im „Roten Buch“ festgehalten. 

Überraschenderweise finden sich im „Roten Buch“ keinerlei Richtlinien für die Weinbauern der damaligen Zeit. Lediglich Angaben zur Versteuerung des Weines („Wein-Ungeld“) und zu typischen mit dem Wein verbundenen Berufe werden gemacht. Beispielhaft erläuterte Dr. Weingart ausführlich die Aufgaben und Funktionen des „Weinschreiers“ und des „Weinschröders“. Der „Weinschreier“ war ein angesehener städtischer Angestellter, dem die Kontrolle des Eichwesens, des Weinausschanks und die Festsetzung der Steuer oblag. Auch für die „Vermarktung“ war er zuständig. Der „Weinschröder“ war für das Verladen von Weinfässern zuständig.

Auch Gerichtsprotokolle der damaligen Zeit wurden im „Roten Buch“ festhalten. Heiterkeit im Saal löste die vom Referenten vorgetragene Anekdote vom Pfarrer von Winzingen aus. Sein Knecht wurde wegen eines kleinen Vergehens freigesprochen, weil er zur „Tatzeit“ etwas „winig“ war!

Tempora mutantur: Heute würde bei „winigen“ Weinbrüdern im Rahmen einer Verkehrskontrolle wohl anders entschieden werden! 

Abschließend bedankte sich Ordenskanzler Karl-Heinz Bauer beim Referenten Dr. Weingart für den interessanten Vortrag, beim Stiftungsvorstand WB Dr. Pirmin Spieß für die Anwesenheit und dessen Gastgeschenk - natürlich das „Rote Buch“ für das Archiv der Weinbruderschaft – und bei WB Gerd Liedy für die wunderschön dargestellte Rieslingtraube im Gästebuch.

Bernd Dieffenbacher